In Bad Homburg hat ein schwarzer Labrador namens Glöckchen gelebt. Er hat bei einem alten Mann gelebt, und jeden Tag sind sie zusammen durch den Schlosspark und am Weißen Turm spaziert. Vor einem kleinen Laden beim Kurhaus hat Glöckchen immer gestanden und hat sehnsüchtig auf eine glänzende, goldene Glocke im Schaufenster geschaut. Das war sein großer Wunsch – sein Wunschtraum.

Glöckchen hat eine alte, kaputte Glocke am Hals getragen. Besonders an Regentagen ist ihm das Herz schwer geworden. Oft hat er an Pfützen auf den Pflastersteinen gestanden und sein Spiegelbild betrachtet. Er hat seine kaputte Glocke gesehen – und er hat tatsächlich leise geweint, wirklich und wahrhaftig.

Sein reicher Nachbar hat sich nicht wirklich um ihn gesorgt, weil er so arm ausgesehen hat und weil er die alte, kaputte Glocke um Glöckchens Hals gesehen hat. Seine Hunde haben nur gebellt und den armen Glöckchen erschreckt. Der Nachbar hat ihn einfach ignoriert und sich nicht weiter darum gekümmert.

Doch eines Tages hat Glöckchen ein dumpfes Geräusch aus der Einfahrt dieses Nachbarn gehört. Er hat die Ohren gespitzt und durch den Zaun geschaut: Der Mann lag reglos auf dem Boden. Zuerst hat Glöckchen gezögert. Was, wenn sie mich wieder fortjagen? hat er gedacht. Aber dann hat sein gutes Herz die Angst besiegt.

Er hat sich durch das Gartentor gedrückt, dessen spitzer Metallstab sein altes Halsband gestreift hat. Dabei ist seine Glocke aufgerissen und fast zersprungen, doch Glöckchen hat nicht darauf geachtet. Er hat weiter gerannt, seinen alten Herrn geholt und ihn bellend zur Einfahrt gezogen.

Der alte Mann hat sofort verstanden, dass etwas passiert ist. Gemeinsam haben sie den Nachbarn bewusstlos auf dem Boden gefunden. Der Besitzer hat die Polizei und den Notarzt gerufen. Zum Glück ist Hilfe rechtzeitig gekommen, und der Mann ist gerettet worden.

Als der Nachbar wieder zu sich gekommen ist, hat er erfahren, dass Glöckchen ihm das Leben gerettet hat. Er war tief bewegt, hat sich für sein früheres Verhalten geschämt und hat sich von Herzen bei dem treuen Hund bedankt.

Am nächsten Tag hat die ganze Stadt von Glöckchens Mut gesprochen. Die Nachbarn, die ihn früher gemieden hatten, haben ihn nun gelobt und wollten ihn streicheln. Die Stadtverwaltung hat Glöckchen und seinen Besitzer ins Rathaus eingeladen.

Der Bürgermeister hat die zerissene alte Glocke um Glöckchens Hals bemerkt und überlegt, dass bald Weihnachten ist – und dass eine schöne, goldene Glocke diesem tapferen Hund wunderbar passen würde. So hat er Glöckchen eine neue, glänzende Glocke um den Hals gehängt – genauso wie die, die Glöckchen jeden Tag im Schaufenster bewundert hat.

Von diesem Tag an ist Glöckchen kein gewöhnlicher Hund mehr. Er ist der kleine Held von Bad Homburg – geliebt von allen. Und seine neue Glocke hat hell und fröhlich geklingelt, wie ein Lied vom Mut und vom guten Herzen, das in ihm geschlagen hat.