Als ich gerade den letzten Umzugskarton fertig ausgepackt hatte, ertönte eine Stimme hinter mir. „Und Pheline, wie gefällt dir dein neues Zimmer?“, fragte sie. „Gewöhnungsbedürftig“, antwortete ich. Mama fing an zu grinsen. „Wir wollen los zum Weihnachtsmarkt“, sagte sie. Während sie schon langsam die Treppe hinunter ging, fügte sie noch hinzu: „Der hier in Bad Homburg soll besonders schön sein.“
Als ich mir die Schuhe anzog, dachte ich mir: ‚Kein Weihnachtsmarkt wird je besser sein als der in Salzburg. Wegen Papas Arbeit mussten wir ja leider von Salzburg nach Bad Homburg ziehen. Ich vermisse Salzburg jetzt schon.‘ Als Papa die Tür öffnete, war der Weihnachtsmarkt quasi vor unserem Haus. Es roch so gut nach ... nach ... nach „Punsch!“, stieß ich etwas zu laut hervor. „Hier sind zwei Euro, hol dir einen Kinderpunsch. Der Stand ist gleich da vorne“, sagte Papa, während er mir zwei Euro in die Hand drückte. Ich liebte Punsch über alles und schließlich bekam ich ihn höchstens dreimal im Jahr. Kurz danach flitzte ich los und verschwand in der Menge.
Die Schlange war nicht lang. Ich kam direkt dran. Als mir der Mann, der mit der roten Schürze am Stand saß, den Kinderpunsch in die Hand drückte, flüsterte er: „Ein besonderer Punsch für ein besonderes Mädchen.“ „Danke“, antwortete ich leicht verwirrt. Ich drehte mich um, doch weit und breit war keiner meiner Eltern zu sehen. Ich geriet in Panik. Ich kannte ja niemanden hier. „Alles gut, Pheline, du gehst jetzt einfach zurück zu der Gasse mit eurem Haus“, sprach ich mir selber gut zu. Ich lief und lief. Dann wand ich mich einer Gasse zu und ging hinein, doch dort war nicht das gelbe Haus mit dem rotbraunen Spitzdach. In der Gasse war es still. Vor Verzweiflung und Angst lehnte ich mich gegen die Wand und ließ mich an ihr hinab rutschen.
Erst jetzt in der völligen Stille fiel mir auf, dass ich noch nichts von meinem Punsch getrunken hatte. Ich schlürfte etwas vom Tassenrand ab. Er war tatsächlich noch warm und fast so lecker wie der in Salzburg. Auf der roten Tasse tanzte ein kleiner Wichtel mit einer grün-rot gestreiften Leggins, einem grünen Mantel, einer grünen Zipfelmütze mit einer weißen Bommel und orangenen Haaren. Darunter stand „Zauberhaftes Bad Homburg“. Auf einmal musste ich wieder an meine Eltern denken. Mir lief eine Träne über die Wange. Sie tropfte auf meine Tasse. Eine weitere Träne wischte ich mir von der Wange. Ich stand auf.
Plötzlich tippte mich etwas an der Schulter an. Ich schrie auf und drehte mich um. Der Wichtel, den ich eben noch auf meiner Tasse betrachtet hatte, stand jetzt in voller Größe vor mir. Er war vielleicht zehn Zentimeter kleiner als ich, und klitschnass sah er mich überglücklich an. „Juhu, du hast mich zum Leben erweckt. Aber etwas stimmt mit dir nicht, oder?", fragte der Wichtel mit einer quietschenden Stimme. „Woher weißt du das?“, fragte ich zurück. „Was denkst du, wieso ich so nass bin? Du hast mich voll geweint. Immer wenn das passiert oder etwas Ähnliches werde ich zum Leben erweckt, um alles wieder gut zu machen. Das machen Weihnachtswichtel eigentlich den ganzen Tag“, sagte er leicht angeberisch, während er versuchte sich trocken zu wischen.
Meine Gedanken rasten: ‚Weihnachtswichtel in echt? Die auch noch Wünsche erfüllen und so etwas‘. Leicht verdutzt fragte ich: „Kannst du mir helfen, meine Eltern zu finden?“ „Kinderspiel“, antwortete er, „aber erst einmal: Ich bin Finn Nordibus. Nenn mich aber einfach Finn.“ „Ich bin Phe...“, wollte ich antworten, aber Finn unterbrach mich: „Ich kenne dich. Ich weiß, wer du bist.“ Langsam wurde alles noch komischer, als es eh schon war. Mit einer Handbewegung zeigte Finn, dass ich ihm folgen sollte. Zögerlich folgte ich ihm. Wir liefen durch die Menge. „Da!“, rief Finn. Ich erschrak kurz wegen seines Schreies, doch dann sah ich Mama und Papa. „Danke!“, sagte ich, während ich überglücklich auf meine Eltern zustürmte. Ich hörte Finn noch rufen: „Ich werde immer für dich da sein, wenn du mich brauchst.“ Kurz blieb ich stehen und dachte über Finns Worte nach, doch dann rannte ich weiter und sprang in die Arme meiner Eltern.